“Ich schlage die Decke über das metallene Fußende, schwinge die Beine aus dem Bett, wackele mit den Zehen und greife nach dem Bademantel. Seine Flauschigkeit erfreut mich, ich genieße lächelnd. Im Bad nehme ich die Zahnbürste, darauf kommt ein kleiner Klecks der üblichen Zahnpasta. So vertraut. Zähne putzend laufe ich ins Ankleidezimmer, schlüpfe kurz aus dem Bademantel, steige auf die Waage…”
Da beobachte ich also jemanden bei der Morgentoilette, dann in der Küche beim Kaffeekochen, beim Einkaufen. Eine junge Frau, gut aussehend, selbstbewusst, gleichzeitig empfindsam. Ich kenne ihren Namen nicht und weiß nicht, wo sie wohnt. Ich lese nur ihr Weblog. Schwarze Buchstaben auf dem Bildschirm. Elektronisch übermittelt über hunderte(?) Kilometer Glasfaserkabel. Und doch bin ich ihr in diesem Augenblick so nah, fast als wäre ich ihr Lebenspartner, nehme Anteil an den Empfindungen, die sie schildert. Gefiltert, selektiv natürlich. Subjektiv, denn das Fehlende ergänzt sich aus der Einbildung, ohne dass ich groß die Phantasie bemühen muss. Das geht von selbst.
Wie geht es mir damit? In einem voraufgegangenen Artikel war ich erschrocken. Ein zunächst nüchterner Text über die Emotionen geht unvermittelt in zu tiefst persönliche Schilderungen über…>mehr.
foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de