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Den ganzen Ratschluss predigen

waage“Die Summe Deines Wortes ist Wahrheit”, heisst es in Psalm 119,160; zumindest in der Schlachter- und der Elberfelderübersetzung.

Als Prediger sollten wir immer darauf aus sein das ganze Wort zu predigen und nicht nur immer dieselben Teilaussagen, die uns angenehm sind. Das ist eine ziemliche Herausforderung, denn das ganze Wort Gottes ist schwer zu fassen. Die Bibel ist ein vielschichtiges Buch, das zu den meisten Themen des Lebens etwas zu sagen hat; ganz sicher hat sie zu allen wichtigen Themen einen guten Beitrag zu leisten. Wie will man dem gerecht werden?
Früher habe ich mich bemüht “ausgewogen” zu predigen. Das bedeutete dann zu jedem Ding auch das Gegenteil zu erwähnen, nicht zu unterschlagen, dass es auch eine andere Seite gibt. Einer meiner Lieblingsprediger sagt gerne “There´s a balance to these things”. Recht hat er! Es gibt immer etwas was auf der anderen Seite der Waage liegt und genauso wichtig ist. So zu predigen nimmt dem Wort aber die ganze Schärfe. Da ist es besser auch mal den Mut zur völligen Einseitigkeit zu haben und wenigstens in einer Predigt so zu tun, als gäbe es nur einen Aspekt der Wahrheit. Damit setzt man sich natürlich der Gefahr aus missverstanden zu werden, in Wirklichkeit predige ich vielleicht einseitig, ich bin es aber nicht. Es ist auch in der Lehre so: die Summe der Predigten weist sich als Wahrheit aus, aber Einzelnes kann durchaus übers Ziel hinausschiessen. Jede Predigt ist ein Mosaiksteinchen das unter Umständen anderen Mosaiksteinchen widersprechen kann weil es ihnen in Form und Farbe nicht gleicht.

Das ist eine interessante Beobachtung. Es ist die Beobachtung, die Bibelkritiker auch an der Bibel machen: “sie widerspricht sich”, sagen sie und: “deshalb kann sie nicht wahr sein.” Falsch! Sie muss sich, vordergründig widersprechen um für die Menschen für die sie geschrieben ist wahr zu sein. Warum? Weil die Menschen, die Gottes Wort hören unterschiedlich sind und in ihren unterschiedlichen Umständen verschiedene Wahrheitsaspekte brauchen. Ein Christ dem sie in China die Schienbeine mit dem Vorschlaghammer brechen wird anderen Zuspruch von Gott nötig haben als ein Glaubensbewegter, der zweifelt weil er keinen Bentley fährt.
Es gibt eine Zeit für Frieden und eine für Auseinandersetzung. So erklärt es sich, dass es in derselben Bibel mal heisst „Schwerter zu Pflugscharen“ (Micha 4,3) und “Pflugscharen zu Schwertern!” (Joel 4,3). Es sind keine Widersprüche sondern Ansprachen desselben Gottes an Menschen in unterschiedlichen Situationen. Ebenso wie Pastoren zu bestimmten Zeiten unterschiedliche Aspekte betonen, betont Gott in unserem Leben durch sein Wort unterschiedliche Wahrheiten wie wir es gerade nötig haben.

Für mich wird die Frage, wie so oft, zu einem erkenntnistheoretischen Problem. Ein gutes Mittel wirklich umfassend zu sein und nicht immer nur die Lieblingsstellen und -themen zu predigen liegt im systematischen Bibelstudium. Für mich ist das Hiobbuch da eine schöne Herausforderung, denn es spricht durchgehend Themen an, die eher am Rande meines Horizonts liegen (z.b. Leid). Es tut mir gut und gibt mir Weite mich damit auseinanderzusetzen. Auf der anderen Seite sehe ich, dass es immer derselbe Storch ist, der liest und denkt und betet. So finde ich in allem immer wieder mich selbst und meine Erkenntnis vor. “Wer nur einen Hammer als Werkzeug hat, wird in jedem Problem einen Nagel sehen”, schrieb Paul Watzlawick einmal (wenigstens dem Sinne nach). In alles Studieren und jede Predigt bringe ich mich selber mit.
Damit stellt sich die Frage, ob es mir möglich ist, den ganzen Ratschluss Gottes zu erkennen und die Summe des Wortes zu begreifen. Wohl nicht. Was allerdings passiert ist das Wort und Geist eine überintellektuelle Eigendynamik entwickeln und Bibelstudium mich dahin bringt wo ich es nicht vermutet hätte. Es ist wahr, das Wort ändert mich bringt mich in Entwicklung. Diese Entwicklung geht in Richtung einer Ganzheitlichkeit, die ich mir früher kaum hätte erträumen können und je mehr sich meine Theologie und mein Verständnis Gottes weiten umso mehr verstehe ich von Gottes Ratschluss und umso “ausgewogener” wird die gesamte Lehre sein.

[Originalpost]

Bild: © Christel Wismans | pixelio.de

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5 Kommentare

  1. gerhard mentzel

    Hallo Lehrfundament,

    wenn ich Papst Benedikt XVI. als Chefwissenschaftler ernst nehme, dann geht es beim Wort nicht um einen Buchtext, sondern eine universelle, schöferische Vernunft, die er als biblisches und historisches Wesen deutet.

    Und selbst die kürzliche Bischofskonferenz in Rom hat verlauten lassen, dass das Buch bzw. dessen Text, nicht das eigentliche „Wort“ sei, dieses auch in der Natur als Schöpfung zu verstehen wäre.

    Um welche Summe geht es also, wenn der Psalm von „Wahrheit“ spricht?

    Kann das Lehrfundament weiter nur von einer biblischen bzw. schriflichen Lehre ausgehen? Oder wäre im Leben des evolutionären Werdens neu zu hören, wie ich unter http://www.Theologie-der-Vernunft.de (unter Auf-verstand oder im Anschreiben an den Papst) nachweisen will?

    Viele Grüße
    von einem mitdenkenden Laien
    der es ernst meint.

  2. Noah K.

    OT (m.d.B. um Gestattung)

    Lieber Herr Mentzel,

    ich lese immer wieder Ihre Kommentare, auch bei den scilogs oder bei Michael Blume. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, zusätzlich zu Ihrer Website einen eigenen Blog zu eröffnen, in welchem Sie Ihre Gedanken nach und nach darlegen und zur Diskussion freistellen?

  3. Gerhard Mentzel

    Danke Noah, für das Interesse,

    auch Dr. Blume hat mir schon einen Bolg empfohlen. Doch derzeit fehlt mir dazu die Zeit.

    Doch Argumente, warum ein völlig neues Verständnis vom „schöpferischen Wort“ im evolutionären Werden heutiger Welterklärung, das über Buchstaben hinausgeht, würden mich interessieren.

    Die Brights, die ich derzeit im Forum zum Nachdenken über eine Erweiterung ihres naturalistischen Weltverständnisses anregen will, schließen meist die Diskussionen, wenn es zu theologisch wird.

    Und so weigern sich Naturalisten wie Schriftlehrer, in neuer Weise nachhören bzw. nachdenken zu wollen.

  4. Gerhard Mentzel

    @noah,was soll ein blog,

    wenn die Theologen den „Ratschluss“ des Schöpfers nur im Buch nachlesen wollen, meine Überlegungen zu einem neuen Auf-verständnis des ewigen Wortes im natürlichen Werden evolutionärer Welterklärung (www.theologie-der-vernunft.de) oder meine Anfragen hier völlig unbeantwortet bleiben?

  5. Noah K.

    Lieber Herr Mentzel,

    auf Ihre Anfragen einzugehen, müsste man sich wohl auf Ihrer Website eingehender umschauen und sich in Ihr Konzept eindenken. Ich vermute, das ist Vielen zu aufwändig. Dazu kommt sicherlich, dass kaum jemand bereit sein dürfte, sein eigenes Glaubenskonzept aufgrund einiger Blog-Kommentare von Ihnen in Frage zu stellen.

    Ein eigener Blog von Ihnen könnte eine Art „Austauschzentrum“ für Interessierte an Ihrem Konzept sein; Interessierte, die natürlich erst mal anzulocken wären.

    Aber ich will hier keine Überzeugungsarbeit leisten; das war gestern nur ein Gedanke/Vorschlag.

    Einen schönen Sonntag wünsche ich.

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