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Bruder Lorenz

klosterWieder einmal eine Buchbesprechung.
Ich habe die letzte Woche ein kleines Büchlein aus dem späten 18.Jahrhundert gelesen: Bruder Lorenz, Allzeit in Gottes Gegenwart. Die Sammlung ist 1785 erschienen, die Originaltexte sind allerdings älter, sie stammen aus der Zeit von 1660-1690. Bruder Lorenz war Laienbruder und hatte sich ganz der Gegebwart und Liebe Gottes verschrieben. Alles was er tat, und sei es nur einen Strohhalm in der Küche aufzuheben, tat er aus Liebe zu Jesus. Er war dafür bekannt, ständig in der bewussten Gegenwart Gottes zu leben.
Dabei war seine Übung für das damalige Klosterleben ungewöhnlich: er dachte einfach ständig und unentwegt an Gott und pries ihn in seinem Herzen für seine Liebe. Diese Übung entwickelte mit der Zeit eine Eigendynamik in ihm und so stellte er fest, dass Gott ihn immer wieder zu sich zog, sobald er sich einmal von ihm entfernte.
Bruder Lorenz ist ein Mystiker gewesen, wenn auch ganz anders als die bekannten Mystiker, die auch allesamt älter sind als er. Im Gegensatz zu den anderen hatte er keine grossen und seltsamen Visionen, er war ein schlichter Mann, der einfache Briefe schrieb und ganz von Gottes Liebe durchdrungen war. Seine Aufzeichnungen wirken nicht besonders spirituell obwohl das ganze Leben des armen Bruders eine enorme Geistlichkeit ausstrahlt.

Ich habe Bruder Lorenz gerne gelesen weil er – wie fast alle, die auf dem inneren Weg unterwegs sind – ein gesundes Gegengewicht bietet zu manchem, was man in der modernen Theologie zu lesen bekommt. Ich bin selber sehr glaubensbewegt und komme aus der charismatischen Ecke, so darf ich etwas kritisches über diese Bewgungen sagen: oft kommt es mir vor, als würden wir die Gaben über den Geber lieben. Es geht uns viel darum was Jesus für uns getan hat und was wir noch alles von ihm bekommen können. Ständig ist die Rede von Segnungen hier und da, mit denen Gott uns noch beschenken möchte: Wohlstand, Gesundheit, Erfolg, ein langes Leben, Selbstverwirklichung – das ist für viele das Christsein. In allem habe ich gerade mal eine leise Stimme gehört, die sagt, dass wir Gott um seiner selbst willen lieben sollen und nicht um dessen willen, was er geben kann. Das war in den 90ern Joseph Hedgecock.
Bruder Lorenz ist anders. Es ging ihm nicht um Geld und Wohlstand, er hatte ohnehin ein Armutsgelübde abgelegt. Es ging ihm auch nicht um Gesundheit, im Gegenteil, Krankheit war ihm eine Gabe Gottes um den Charakter zu bessern. Er suchte kein besseres, einfacheres Leben sondern in allem und durch alles immer wieder nur Gott.
Über seine Theologie lässt sich also streiten, über seine Motive nicht. Ich denke, dass viele von uns nur deshalb bei Gott sind, weil sie etwas von Gott erwarten. Viele Christen sind wie die Menschen zu Jesu Zeiten: für sie ist Jesus der Wunderonkel, der heilt und beschenkt. Da wünsche ich mir mehr und mehr Menschen wie Bruder Lorenz, die Gott einfach nur lieben und denen alles andere gleichgültig ist !

[Originalpost]

Bild: © Echino | pixelio.de

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2 Kommentare

  1. Manfred

    Ein schöner Beitrag, dem ich zustimme!
    Ich habe auch gern von und über Bruder Lorenz gelesen.
    Der Liederdichter Gerhard Teerstegen (selbst ein Mystiker) hatte eine Sammlung von „Lebensbeschreibungen heiliger Seelen“ herausgegeben. Ich hörte, dass diese auch heute noch verlegt wird. Wen es interessiert, der kann ja mal googlen.

    MfG
    Manfred

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